Hirsche
Die Hirsche oder Geweihträger sind eine Säugetierfamilie aus der Ordnung der Paarhufer. Die Familie umfasst rund 45 Arten, von denen unter anderem der Rothirsch, der Damhirsch, das Reh, das Ren und der Elch auch in Europa verbreitet sind. Markantestes Kennzeichen der Hirsche sind die an Gestalt variantenreichen, meist nur von den Männchen getragenen Geweihe, die jährlich abgeworfen und neu gebildet werden.
Die Größe der Hirsche variiert erheblich: die Kopfrumpflängen schwanken zwischen 0,7 und 2,9 Metern, die Schulterhöhe zwischen 30 und 190 Zentimeter und das Gewicht zwischen 7 und 800 Kilogramm. Der größte lebende Vertreter ist der Elch, der kleinste der Südliche Pudu. Bei den meisten Arten herrscht ein Geschlechtsdimorphismus hinsichtlich der Größe vor, das heißt dass Männchen deutlich größer und schwerer werden als Weibchen.
Auch die Körperform ist variabel, neben schlanken Hirschen gibt es auch relativ gedrungene Vertreter, die Beine sind allerdings stets schlank und vergleichsweise lang. Der Schwanz ist meist nur ein kurzer Stummel. Das Fell der meisten Arten ist braun oder grau gefärbt; einige Hirsche haben ein gepunktetes Fellkleid, das auch die Jungtiere der meisten Arten aufweisen.
Hirsche haben einen vierkammerigen Magen, der es ihnen durch mikrobielle Verdauung ermöglicht, die Pflanzennahrung aufzuschließen.
Kennzeichnend für die meisten männlichen Hirsche ist das Geweih, das dem Imponierverhalten und Kämpfen um das Paarungsvorrecht dient. Dieses wächst aus zapfenförmigen Knochengebilden („Rosenstöcken“) am Stirnbein (Os frontale) und besteht im Gegensatz zu den Hörnern der Hornträger aus Knochensubstanz. Die Form des Geweihs hängt vom Alter und der Art ab, bei manchen Arten sind es einfache, spießförmige Gebilde, bei anderen weist es weitverzweigte oder schaufelförmige Strukturen auf.
Während der Wachstumsphase wird das Geweih durch eine kurzbehaarte Haut, Bast genannt, mit Blut versorgt. Sobald es seine volle Größe erreicht hat, wird diese Haut abgestreift, danach wird das Geweih nicht mehr mit Blut versorgt und ist auch schmerzunempfindlich. Es wird jedes Jahr nach der Paarungszeit abgeworfen und anschließend neu gebildet. Bei Arten mit fester Paarungszeit fällt dieses Abwerfen in eine bestimmte Jahreszeit (beim Reh und beim männlichen Rentier in den Spätherbst, beim weiblichen Rentier und den anderen europäischen Arten in den Spätwinter oder Frühling); bei Arten in tropischen Regionen gibt es keinen festen Zeitpunkt hierfür.
Ausnahmen von diesen Schema bilden lediglich das Wasserreh, das kein Geweih hat, sowie das Ren, bei dem beide Geschlechter ein Geweih tragen.
Das Gesicht der Hirsche ist langgestreckt, die Ohren sind groß und aufgerichtet. Der Tränen-Nasen-Gang (Ductus nasolacrimalis) ist gegabelt, am Vorderrand der Augenhöhle (Orbita) liegen zwei Tränenlöcher (Foramina lacrimalia). Die oberen Schneidezähne fehlen stets, im Unterkiefer sind pro Kieferhälfte drei vorhanden. Der obere Eckzahn ist bei Arten mit fehlendem oder kleinem Geweih (Wasserrehe, Muntjaks) vergrößert und ragt hauerartig aus dem Maul, bei den übrigen Arten ist er verkleinert oder fehlt ganz. Der untere Eckzahn ähnelt den Schneidezähnen. Pro Kieferhälfte sind drei Prämolaren und drei Molaren vorhanden, die eher niederkronig sind. Daraus ergibt sich eine Zahnformel von 0/3 0-1/1 3/3 3/3, insgesamt also 32 bis 34 Zähne.
Wie bei allen Paarhufern liegt die Mittelachse des Beins zwischen der dritten und vierten Zehe, die vergrößert sind und als einzige den Boden berühren. Die erste Zehe fehlt völlig, die zweite und fünfte Zehe sind stark verkleinert und berühren als sogenannte Griffelbeine den Boden nicht mehr. Der Grad der Reduktion der zweiten und fünften Zehen ist ein wichtiges Kriterium zur Unterscheidung der Unterfamilien: Echte Hirsche (Cervinae) und Muntjakhirsche (Muntiacinae) sind „Plesiometacarpalia“, das heißt, dass nur die proximalen (am Fuß anliegenden) Teile der 2. und 5. Zehen vorhanden sind. Trughirsche und Wasserrehe sind „Telemetacarpalia“, das heißt, dass nur die distalen (vom Fuß entfernten) Knochen dieser Zehen vorhanden sind. Mittelhand- und Mittelfußknochen sind zum so genannten Röhrbein verwachsen. Bei den meisten Arten sind Drüsen zwischen den Zehen (Interdigitaldrüsen) vorhanden. Am seitlichen Mittelfuß finden sich die Metatarsalbürsten.
Einige Arten sind Einzelgänger, die meisten Arten leben jedoch in Gruppen, deren Größe nach Art und Lebensraum variieren kann. Vielfach sind dies Haremsgruppen, bei denen ein Männchen mehrere Weibchen und den gemeinsamen Nachwuchs um sich schart und keine männlichen Nebenbuhler neben sich duldet. (Aufgrund dieses Verhaltens ist der „Platzhirsch“ sprichwörtlich geworden.) Dementsprechend herrscht ein polygynes Paarungsverhalten vor, das heißt ein Männchen paart sich mit mehreren Weibchen. In der Paarungszeit tragen die Männchen oft Kämpfe um das Paarungsvorrecht aus. Diese Kämpfe werden mit den hauerartigen Eckzähnen oder dem Geweih ausgetragen, dessen jährliches Wachstum wie oben erwähnt mit der Paarungssaison korreliert. Zur Kommunikation mit Artgenossen und zur Markierung des Reviers werden Sekrete der Drüsen am Kopf und an den Füßen und auch Urin eingesetzt.
In tropischen Regionen kann die Paarung das ganze Jahr über erfolgen, in den gemäßigten Regionen findet diese meist im Herbst oder Winter statt. Die Tragzeit beträgt üblicherweise sechs bis neun Monate. Eine Ausnahme bildet das Reh, bei dem die Paarung im Sommer (Juli/August) stattfindet, und die Tragzeit durch eine Keimruhe verlängert wird. Die Wurfgröße liegt meist bei einem oder zwei, manchmal auch drei oder vier Jungtieren. Diese sind Nestflüchter und tragen meist ein geflecktes Fellkleid.
Hirsche sind Pflanzenfresser, die sich von unterschiedlichen Pflanzenteilen wie Gräsern, Blättern, Rinde, Knospen und Zweigen ernähren. Im Vergleich zu den Hornträgern bevorzugen sie generell eher weichere Pflanzennahrung.