Bekassine
Die Bekassine (Gallinago gallinago) ist eine Art aus der Familie der Schnepfenvögel und der Ordnung der Watvögel. Von allen Schnepfenvögel ist dies die weltweit verbreitetste Art. Es werden drei Unterarten unterschieden, die in sechs biogeografische Populationen unterteilt werden.
In Mitteleuropa ist die Nominatform Gallinago gallinago gallinago ein Brut- und Sommervogel sowie auch Jahresvogel. Sie ist außerdem während der Zugzeiten ein regelmäßiger Durchzügler. In dieser Zeit sind in den Niederlanden an geeigneten Rastplätzen bis zu 250.000 Individuen versammelt.
Die Bekassine ist mit einer Körperlänge zwischen 25 und 28 Zentimeter eine mittelgroße, einheimische Schnepfenart. Wie bei allen Schnepfen ist ihr Schnabel auffällig lang. Die Augen sitzen seitlich am Kopf, was zu einem sehr großen Sichtfeld führt. Ihre Beine sind für einen Watvogel relativ kurz und kräftig. Das Gefieder weist eine bräunliche Tarnfärbung mit markanten Längsstreifen auf Kopf und Rumpf auf. Sie ähnelt weitgehend der Doppelschnepfe, ist aber etwas kleiner als diese und zeichnet sich durch Armschwingen mit einer weißen Endbinde aus, die im Flug sichtbar sind. Der weiße Bauchfleck ist bei der Bekassine etwas ausgedehnter und ihre Flanken sind gleichfalls hell gelbbraun und dunkelbraun gebändert. Der Schwanz ist unregelmäßig mit dunklen und zimtbraunen Bändern gezeichnet. Die Federn tragen hell rötlichbeige bis weiße Spitzen. Die Anzahl der Steuerfedern beträgt zwischen 12 und 18 Federn, die meisten Individuen haben 14 bis 16 Steuerfedern.
Jungvögel sind kaum von adulten Vögeln zu unterscheiden. Bei ihnen sind die cremefarbenen Streifen auf dem Rücken etwas schmaler und blasser. Die neuen Flügeldecken tragen völlig weiße Spitzenflecken, die nicht wie bei adulten Bekassinen durch eine schwarze Längsbinde unterbrochen werden.
Der Flug der Bekassine ist sehr schnell. Aufgeschreckte und sich bedroht fühlende Vögel zeigen einen Flug mit Zickzwackwendungen. Am Boden knicken Bekassinen bei Gefahr in den Intertarsalgelenken ein und drücken sich an den Boden. In der Nähe des Niststandortes oder von Jungvögeln verleiten sie durch Auf- und Abklappen und gleichzeitigem Spreizen des Schwanzes.
Obwohl der Vogel selbst am Himmel oft kaum auszumachen ist, hört man oft weithin das laute „Wummern“, ein meckerndes Geräusch, das in der Ornithologie als Instrumentallaut bezeichnet wird und durch das Abspreizen der beiden äußeren, speziell versteiften Schwanzfedern im Sturzflug entsteht. Diese Lautäußerung hat ihr auch den Namen „Himmelsziege“ eingebracht.
Scheucht man eine Bekassine am Boden auf, gibt sie ein heiseres, rauhes „ääätsch“ von sich. Sie vollführt dann einen typischen, steil aufsteigenden Zickzackflug und lässt sich nach einiger Entfernung wieder in die Deckung fallen. Der Gesang, oft von Zaunpfählen aus vorgetragen, das sogenannte „Tickern“, besteht aus langen, regelmäßigen Rufreihen aus einem einsilbigen „tick“ oder einem zweisilbigen „tick-er“. Sehr charakteristisch und vor allem in der Morgen- oder Abenddämmerung zu hören ist auch das weiter oben beschriebene „Wummern“, das während der Balzflüge vorgetragen wird. Das balzende Männchen kreist in 100 bis 150 Metern Höhe und stößt dann „wummernd“ zehn bis zwanzig Meter tief herab.
Die Bekassine kommt in Eurasien und je nach taxonomischer Einordnung (siehe Unterarten) in Nordamerika vor. Die Art ist als solche nicht bedroht ("least concern"). Der europäische Gesamtbestand wird auf 930.000 bis 1.900.000 Brutpaare geschätzt. Hohe Populationsdichten in Europa erreicht die Bekassine in Russland, dem Baltikum, Skandinavien und dem östlichen Mitteleuropa. Größere Bestände gibt es auch noch auf den Britischen Inseln und im Bereich der Nordsee. In Westeuropa und im Mittelmeerraum kommt die Bekassine zerstreuter vor. Der mitteleuropäische Brutbestand wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf 24.000 bis 45.000 Brutpaare geschätzt.
In Deutschland ist die Bekassine laut Roter Liste vom Aussterben bedroht. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Bekassine als "gemein" (= häufig) bezeichnet und äußerst intensiv bejagt. Jagdstrecken umfassten manchmal 70 bis 80 geschossene Exemplare pro Tag und Jäger. Der Bestand wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf 6.200 bis 9.800 Brutpaare geschätzt. In Österreich kommen zwischen 80 und 120 Brutpaare vor. In der Schweiz dagegen ist die Bekassine ein sehr seltener Brutvogel mit maximal drei Brutpaaren.
Die Ursachen des heutigen massiven Bestandsrückgangs sind nicht auf die Bejagung zurückzuführen, sondern auf Entwässerungs- und Bodennivellierungsmaßnamen im Rahmen intensiver Landwirtschaft und die zunehmende Zersiedelung der Brutareale. Durch die Entwässerung fallen die Wasserstände im Jahr zu früh ab und der Boden bietet nicht mehr genügend Nahrung. Hinzu kommt die Verdichtung der Böden durch schwere Landmaschinen, die es der Bekassine schwer machen, mit dem Schnabel durchzudringen, sowie eine vermehrte Verbuschung der Brutflächen.
Die Bekassine ist sowohl Kurz- und Langstreckenzieher als auch im Westen ihres Brutareals ein Standvogel. Die Überwinterungsquartiere der Bekassine finden sich unter anderem im Nordwesten, Westen und Süden Europas, im Mittelmeergebiet, Vorder- und Südasien, in den nördlichen tropischen Regionen Westafrikas und in Ostafrika bis zum Äquator.
Zu den Gebieten, in denen Bekassinen während des Winters ausharren, gehören unter anderem Island, Westnorwegen, Dänemark und Deutschland. Überwinternde Bekassinen sind unter anderem auch am Bodensee zu finden. Einzelne Funde beringter Vögel belegen aber auch Zugstrecken von Deutschland bis zum Senegal oder Dänemark bis Senegal und Tschad.
Der Wegzug von den Brutplätzen beginnt in Nordeuropa ab Juli. Ab Mitte Juli sind an den typischen Rastplätzen in Norddeutschland bereits zunehmend Durchzügler zu beobachten. Dabei finden sich zu Beginn des Zuges vor allem Jungvögel ein. Der Zug währt bis Ende Oktober und November. Auf dem Rückzug in die Brutgebiete in Nordeuropa sind in Mitteleuropa Bekassinen vor allem im März zu beobachten.
Die Bekassine bewohnt Feuchtwiesen und offenes Sumpfland, wo sie zur Brutzeit durch ihre Balzflüge auffällt.
Die Bekassine brütet bevorzugt in extensiv bewirtschafteten Feuchtwiesen und Marschen, in Hochmooren, seltener in Großseggenrieden und lichten Röhrichtflächen, auf Nassbrachen oder an der Küste auch in Salzwiesen und Kögen. Wichtig ist eine nicht zu dichte Vegetation, die sowohl genügend schlammige Flächen (Schlenken, Gräben, Ufer) für die Nahrungsaufnahme als auch ausreichende Deckung aufweisen. Außerdem braucht die Bekassine eine lockere Humusschicht, in der genügend Würmer und Insektenlarven vorkommen.
Zur Zugzeit im Frühjahr kommt die Bekassine in ähnlichen Lebensräumen vor wie zur Brutzeit. Im Spätsommer und Herbst rastet sie wie andere Limikolen gerne auf relativ offenen Schlickflächen auf Rieselfeldern und an Klärteichen, aber auch an flachen Ufern und Gräben.
Bekassinen fressen verschiedene Insekten und deren Larven, Mollusken, Krebstiere, Pflanzenteile und Sämereien. In einigen Lebensräumen machen Regenwürmer den größten Teil ihres Nahrungsspektrums aus.
Während ihrer Nahrungssuche kann man sie meist dort beobachten, wo der Untergrund feucht ist oder wo flachgründiges Wasser vorhanden ist. Mit ihrem langen Schnabel stochern die Bekassinen tief im Untergrund oder Wasser und schreiten dabei langsam vorwärts. Sie gehen dabei so tief ins Wasser, dass sie manchmal bis zum Bauch im Wasser stehen. In weichem Boden führen sie mitunter ihre Schnäbel bis zu deren voller Länge ein. Da sie eine bewegliche Schnabelspitze haben, vermögen sie kleine Beutetiere noch unter der Erde zu fassen und zu verschlucken, ohne dass sie ihren Schnabel aus der Erde herausziehen müssen. Auf Nahrungssuche begeben sie sich besonders während der Dämmerung, sie sind jedoch auch tagsüber zu beobachten
Bekassinen erreichen in der Regel ihre Geschlechtsreife im 1. Lebensjahr. Sie führen eine monogame Saisonehe, wobei die Männchen vermutlich nicht nur zu Beginn der Brutzeit fremde Weibchen begatten.
In Mitteleuropa erreichen Bekassinen ihre Brutplätze in der Regel ab März. Gelegentlich sind aber balzende Vögel bereits ab Mitte Februar zu beobachten. Das Revier wird durch das Männchen gegründet, der Nistplatz vom Weibchen gewählt. Das Nest wird auf nassem bis feuchtem Untergrund im Gras oder zwischen Zwergsträuchern errichtet. Es ist eine gut ausgebildete Mulde, die mit dürrem Pflanzenmaterial ausgelegt ist. Der Legebeginn ist in Mitteleuropa frühestens Ende März oder Anfang April. Die meisten Gelege werden jedoch Ende April und Mai gelegt. Die Gelege bestehen gewöhnlich aus vier Eiern. Das Legeintervall beträgt einen Tag. Die Eier sind spitzoval und haben eine graue Grundfarbe. Sie sind rötlichbraun, grünlich bis schwärzlich gesprenkelt. Die Brutdauer beträgt 18-20 Tage. Es brütet ausschließlich der weibliche Elternvogel. Das Männchen hält sich in Nestnähe auf. Die Jungvögel verlassen bereits am 1. Tag das Nest, sind aber auf eine Fütterung durch die Elternvögel angewiesen. Sie sind mit 19 bis zwanzig Tages etwas flugfähig und haben ihre volle Flugfähigkeit mit vier bis fünf Wochen erreicht.